BGH zum Vorrang des Anschlusses von Erneuerbaren-Energien-Anlagen an Netzverknüpfungspunkt

ESV-Redaktion Recht

BGH: Netzbetreiber müssen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien grundsätzlich vorrangig an ihr Netz anschließen (Foto: MARIMA / stock.adobe.com)

Der XIII. Zivilsenat des BGH hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Urteil unter anderem dazu geäußert, wann Betreiber von Erneuerbaren-Energien-Anlagen vorrangig an Netzverknüpfungspunkte anzuschließen sind. Zudem hat der Senat zu der Frage Stellung genommen, ob verbindliche Reservierungen von Einspeisekapazitäten schon vor der anschlussfertigen Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien möglich sind.

In dem Streitfall verlangte die Klägerin als Betreiberin einer Freiflächen-Photovoltaikanlage von der beklagten Netzbetreiberin Schadensersatz wegen der Verweisung an einen für sie ungünstigen Netzverknüpfungspunkt. Aufgrund einer Reservierung durch die Beklagte wurde der Anlage eines konkurrierenden Betreibers ein näher gelegener Netzverknüpfungspunkt zugeteilt.

Die Klägerin hatte ihre Anlage mit Leistung von 7600kWp am 29. Juni 2012 in Betrieb genommen. Sie teilte der Beklagten dies mit und übersandte ihr mit Schreiben vom 13. Juli 2012 die Baugenehmigung vom 18. April 2012 für ihre Anlage einschließlich weiterer Unterlagen, die für den Netzanschluss benötigt wurden.

Am 19. Juli 2012 reservierte die Beklagte dann den Netzverknüpfungspunkt S für eine konkurrierende Anlage, die am 25. September 2012 in Betrieb genommen wurde. Die Reservierung erfolgte aufgrund einer E-Mail, die der konkurrierende Betreiber der Beklagten am 1. Juni 2012 übermittelt hatte. In der ersten Seite der Mail war eine Baugenehmigung vom 14. Mai 2012 enthalten. Die weiteren Anlagen zur Baugenehmigung – unter anderem die geprüften Bauunterlagen – enthielt die Mail jedoch nicht.

Den Anschluss beider Anlagen am Netzverknüpfungspunkt S hatte die Beklagte aus Kapazitätsgründen abgelehnt. Daher teilte sie der Klägerin mit, dass der Anschlusspunkt S nicht mehr zur Verfügung steht. Vielmehr könne deren Anlage am weiter entfernten Anschlusspunkt W angeschlossen werden.

Im August 2013 hatte der konkurrierende Beitreiber der Beklagten dann eine Abschrift der vollständigen Baugenehmigung vom 14. Mai 2012 übermittelt. Hieraus ergab sich, dass sich die Genehmigung aber nur auf eine Auf-Dach-Anlage mit einer Leistung von 400 kWp bezieht. Angemeldet worden war jedoch auch eine weitere Anlage des Betreibers mit einer Leistung von 6000 kWp. Dennoch hielt die Beklagte an ihrer Reservierungsentscheidung fest.

Sowohl die Ausgangsinstanz – das LG Frankfurt/Oder – als auch das Berufungsgericht, das OLG Brandenburg, hatten die Klage abgewiesen. Daher legte die Klägerin Revision beim BGH ein.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden!

Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.

BGH: Reservierung wegen Unvollständigkeit der eingereichten Unterlagen unwirksam

Der XIII. Zivilsenat des BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück. Die wesentlichen Überlegungen des Senats:

Grundsätzlicher Vorrang für Strom aus Erneuerbaren Energien: Nach Auffassung des Senats sind Netzbetreiber nach § 5 Absatz 1 Satz 1 EEG 2012 (siehe unten) prinzipiell dazu verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anzuschließen (Netzverknüpfungspunkt), die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist und die nach Luftlinie die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage hat. Es sei denn, ein anderes Netz weist einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt auf.

Netzbetreiber darf Reservierungsverfahren für Einspeisekapazitäten durchführen: Ob der Netzbetreiber nur eine anschlussbereite Anlage im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 1 und § 4 Absatz 2 Satz 1 EEG 2012 ausnahmslos vorrangig an dem für diese günstigsten Netzverknüpfungspunkt anzuschließen hat, oder ob er ein Reservierungsverfahren für Einspeisekapazitäten durchführen darf, ist dem BGH zufolge jedoch umstritten. Der Senat entschied sich zugunsten der letzteren Variante. Bei der Ausgestaltung des Reservierungsverfahrens muss der Netzbetreiber aber berücksichtigen, dass die Reservierung eine Beschränkung des Anschlussanspruchs des Anlagenbetreibers zur Folge haben kann, dessen Anlage zuerst anschlussbereit ist, führt der Senat BGH hierzu aus.
Zulässigkeit der Reservierung aber vorliegend unerheblich: Im Streifall kam es jedoch auf die grundsätzliche Zulässigkeit einer Reservierung nicht an. Die Beklagte hatte nämlich das von ihr aufgestellte Reservierungskriterium – also die Vorlage einer gültigen Baugenehmigung – nicht beachtet. Vielmehr hatte sie am streitigen Netzverknüpfungspunkt Einspeisekapazitäten für die konkurrierende Anlage reserviert, obwohl ihr nur die erste Seite einer Baugenehmigung vorlag, die sich nicht auf die gesamte angemeldete Anlage bezog. Dies sei für eine wirksame Reservierung nicht ausreichend, so der Senat hierzu. Der Klägerin stehe daher der begehrte Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach zu.

Keine endgültige Entscheidungsreife: Allerdings konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Berufungsinstanz keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen hat. Dies muss das OLG Brandenburg nach der Zurückverweisung nun nachholen.

Quelle: Urteil des BGH vom 21.03.2023 – XIII ZR 2/20

Platz für Wind und Sonne

Handbuch Wind- und Solarprojekte

Dieses Werk gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlich und steuerlich relevanten Themen bei der Realisierung sowohl von Wind- als auch Solarenergieprojekten. Versierte Fachleute mit langjähriger Erfahrung sorgen für eine praxisgerechte und umfassende Darstellung. Folgende Themen stehen dabei im Fokus:

Regulierung, Planung und Genehmigung
Grundstücksrecht
Projektverträge und Versicherung
Projektfinanzierung und Fonds
Steuern
M&A-Transaktionen und Beteiligungsmodelle

Die EEG-Novelle 2023, das neue Windenergieflächenbedarfsgesetz sowie die Änderungen im Baugesetzbuch sind bereits berücksichtigt.

Vorschriften-Datenbank inklusive: Zusätzlich profitieren Sie vom Zugriff auf eine umfangreiche, ständig aktualisierte Datenbank mit wichtigen energierechtlichen Vorschriften der EU, des Bundes und der Länder. Zum schnellen Vergleich bleiben auch frühere Vorschriftenfassungen recherchierbar. So sehen Sie auf einen Blick, was sich geändert hat.

Verlagsprogramm

Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht

Im Wortlaut: § 5 Absatz 1 EEG 2012

(1) ¹ Netzbetreiber sind verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anzuschließen (Verknüpfungspunkt), die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist, und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. ² Bei einer oder mehreren Anlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 30 Kilowatt, die sich auf einem Grundstück mit bereits bestehendem Netzanschluss befinden, gilt der Verknüpfungspunkt des Grundstücks mit dem Netz als günstigster Verknüpfungspunkt. (…)

(ESV/cw)