In dem betreffenden Fall hatte der Kreis Dithmarschen durch Erlass einer Sicherstellungsverordnung ein Landschaftsschutzgebiet im Raum Hohe Geest ausgewiesen. Das Gebiet hatte eine Fläche von 29.394 ha. Dies entsprach etwa 20 Prozent der Fläche des Kreises und umfasste auch Flächen der derzeitigen Raumordnungsplanung des Landes. Dort wird dieses Gebiet als Planungsraum III geführt. Ein Einvernehmen mit anderen Gemeinden oder der Landesplanungsbehörde hatte der Kreis nicht gesucht. Die streitgegenständliche Sicherstellungsverordnung erklärte auch die Errichtung von Windkraftanlagen in diesem Gebiet für unzulässig.

Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens. Nach dem Eilantrag sollte die Sicherstellungsverordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt werden.

Antragstellerin: Schutzverordnung unverhältnismäßig und nicht erforderlich

• Die Antragstellerin rügte insbesondere, dass die Sicherstellungsverordnung nicht von der Ermächtigung des § 22 Absatz 3 BNatSchG gedeckt sei. Diese diene nicht der Erhaltung von Natur und Landschaft, sondern bezwecke die planungsrechtliche Steuerung der Windkraft.
• Der weiträumige Schutz sei wegen der Heterogenität der Gebietsstruktur nicht erforderlich. Eine Abgrenzung zu anderen Flächen außerhalb des Schutzgebietes wäre nicht möglich und auch nicht begründbar. Zudem befänden sich im unmittelbaren Grenzbereich zum Geltungsbereich der Sicherstellungsverordnung bereits Windparks.
• Schließlich sei die Verordnung unverhältnismäßig, da sie die Nutzungsinteressen nicht ausreichend berücksichtige.

Antragsgegner: Schutzzweck des §§ 22 Absatz 3 BNatSchG gefährdet

• Demgegenüber meint der Antragsgegner, dass der Schutzzwecks im Sinne von § 22 Absatz 3 BNatSchG gefährdet war. So hätten durch die Teilaufstellung des Regionalplanes und die dortige Ausweisung von Potential- bzw. Vorrangflächen unwiderrufliche Tatsachen entstehen können. Der Erlass der Verordnung wäre daher dringlich, weshalb von einem Beteiligungsverfahren abgesehen worden sei.
• Zudem impliziere der Erlass der Verordnung nicht, dass die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Landschaft abschließend geprüft worden sei. Dies bleibe der späteren Landschaftsschutzverordnung vorbehalten. Ein ausreichendes Beteiligungsverfahren müsse dann im Rahmen dieses Erlassverfahrens durchgeführt werden. Das Vorgehen des Antragsgegners genüge daher den Vorgaben des Landesplanungsgesetzes.
• Darüber hinaus kämen für die Sicherstellung des Landschaftsbildes allein die Instrumente des Bundes- bzw. Landesnaturschutzgesetzes in Betracht. Die Instrumente des Raumordnungsrechts seien dafür nicht geeignet. 

OVG Schleswig-Holstein: Landesentwicklungsbehörde hätte einbezogen werden müssen

Das OVG teilte die Auffassung des Antragsgegners nicht. Dem Richterspruch zufolge hätte die Landesentwicklungsbehörde in das Verfahren mit einbezogen werden müssen. Mit Beschluss vom 27.10.2017 setzte das OVG die Verordnung daher einstweilen außer Kraft. Seine Entscheidung stützte das OVG auf folgende maßgebliche Erwägungen:

Weiträumiges Schutzgebiet nicht erforderlich

Nach Auffassung der Richter aus Schleswig kann eine Fläche unter Berücksichtigung der in § 26 Abs. 1 BNatSchG genannten Schutzzwecke zwar prinzipiell durch Erlass einer Sicherstellungsverordnung gesichert werden. Dabei muss aber das gesamte Schutzgebiet für den besonderen Schutz von Natur und Landschaft erforderlich sein. Hierbei, so das Gericht weiter, müsse im Einzelfall geprüft werden, ob ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft begründbar sei. Dies richte sich nach der Eigenart des betroffenen Landschaftsraums. Kernfrage sei also, ob sich die Schutzgebiete deutlich von den übrigen Flächen unterscheiden. Einen solchen Unterschied sah das OVG nicht.

Sicherstellungsverordnung unverhältnismäßig

Die weiträumigen Bau- und Nutzungsbeschränkungen für die Betroffenen bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Eine solche liegt dem OVG zufolge nicht vor.

Offensichtlicher Fehler wegen fehlender Koordination

Die besondere Weiträumigkeit führt auch zu erhöhten Anforderungen an eine Prüfung der Auswirkungen des Landschaftsschutzes auf die Landesentwicklungsplanung. Diese Prüfung hätte mit der Landesentwicklungsbehörde abgestimmt werden müssen, was unterblieben sei.

Kreis überschreitet Befugnis

Nicht zuletzt würden durch die Sicherstellungsverordnung die Bau- und Nutzungsfreiheit der Antragstellerin tangiert. Es stehe aber ausschließlich der Landesplanungsbehörde zu, Gebiete auszuweisen, die sich auch für Windkraftanlagen eignen. Dies habe die Antragsgegnerin durch ihre Verordnung unmöglich gemacht und die Abwägungs- und Planungsentscheidungen für dieses Gebiet unzulässig vorgeprägt.

Quelle: PM des OVG Schleswig-Holstein vom 30.10.2017 zum Beschluss vom 27.10.2017 - AZ: 1 MR 4/17

Standpunkt: Rechtsfeferendar Vassili Zabolotski - ESV Redaktion Recht

Stärkung der Rechtsposition von Windkraftanlagenbetreibern: Mit der obigen Entscheidung hat das OVG die Bau- und Nutzungsfreiheit von Windkraftanlagenbetreibern und Grundstückseigentümern im sogenannten Außenbereich gestärkt. Auch das Hauptsacheverfahren hat nach Auffassung der Richter aus Schleswig gute Erfolgsaussichten. Energiepolitisch zweckmäßig: Energiepoltisch ist dies zu begrüßen. Schließlich boomt der Markt nach grünem Strom. Dementsprechend groß ist das Interesse nach Flächen, die für Windkraftanlagen ausgewiesen werden.  Wertungsmaßstäbe für Interessenausgleich: Als Regulativ für den Ausgleich der gegenläufigen Interessen hat das OVG zugleich Wertungsmaßstäbe aufgestellt, die zu einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen Landesplanungsbehörde und den Kreisen in der Raumplanung führen und damit die Grenzen einer Sperrplanung aufzeigen.

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(ESV/vz)